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Sunday, August 16, 2020

Die Vier-Tage-Woche ist ein gefährlicher Irrsinn - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

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Die Mitglieder der Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo haben offenbar verstanden, was die Stunde geschlagen hat. Neun von zehn befragten Kabinenmitarbeitern haben für einen Krisen-Tarifvertrag gestimmt. Vielen dürfte das nicht ganz leichtgefallen sein, denn für sie stehen nun Nullrunden, weniger Flugstunden und damit geringere Gehälter an. Der Lohn dafür: Die Beschäftigten haben ihren Arbeitsplatz laut Ufo bis Mitte 2024 sicher. Die sonst unvermeidbaren Entlassungen soll es nicht geben.

Das ist gut so. Noch besser wäre es, würde die Einigung Signalwirkung entfalten. Denn eigentlich ist es ja eine Selbstverständlichkeit, dass Mitarbeiter in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg bereit sind, den Gürtel enger zu schnallen, um den eigenen Job zu sichern.

Allerdings scheint sich das noch nicht überall rumgesprochen zu haben. Der Vorsitzende der Gewerkschaft IG Metall, Jörg Hofmann, forderte am Wochenende allen Ernstes eine Vier-Tage-Woche in der Industrie mit „einem gewissen Lohnausgleich für die Beschäftigten“. Mit anderen Worten: Die Stundenlöhne sollen ausgerechnet jetzt in der Krise steigen und nicht sinken. Wer denkt, dass so Kündigungen verhindert werden und der Strukturwandel in der Autoindustrie gelingen kann, entlarvt sich als lohnpolitischer Geisterfahrer.

Die Tarifparteien haben in diesem Jahrtausend eigentlich schon bewiesen, wie vernünftige Lohnpolitik in schweren Zeiten funktioniert. In den Jahren der Hartz-Reformen, die einen Weg aus der wirtschaftlichen Starre mit fünf Millionen Arbeitslosen wiesen, und auch während und nach der Finanzkrise sorgte eine relative Lohnzurückhaltung für das vielbeschriebene „deutsche Jobwunder“.

Soll es dieses Mal kein deutsches Desaster geben, braucht es ein Miteinander von Arbeitgebern und Gewerkschaften, in dem die Lasten gerecht verteilt werden. Man darf zwar nicht vergessen, dass viele Arbeitnehmer durch Kurzarbeit und aufwendigere Kinderbetreuung schon arg beansprucht sind. Ihnen bringen aber vorübergehend stabile Löhne nichts, wenn sie ein Jahr später auf der Straße stehen.

Ebenso kurzsichtig wäre es, das Kurzarbeitergeld bis auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verlängern, wie es SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz vorhat. Das Geld in der Arbeitslosenversicherung ist nicht dafür da, Unternehmen zu subventionieren, die absehbar auf keinen grünen Zweig kommen.




August 17, 2020 at 02:02AM
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